Pressemitteilung der Odenwaldbahn-Initiative vom 02.11.24
Faktencheck zur Gersprenztalbahn
Stand: 02.11.24
DARMSTADT-DIEBURG, GROSS-BIEBERAU, REINHEIM, 02.11.24
In den Herbstwochen des Jahres 2024 erschienen in den lokalen Medien (u. a. VRM-Gruppe, Darmstädter Echo, Odenwälder Echo einige Artikel zur Gersprenztalbahn. Akteure der Groß-Bieberauer Kommunalpolitik stellen Dinge aus unserer Sicht nicht, nicht vollständig oder falsch dar. Daher haben wir hier einen Faktencheck zusammengestellt. Aus urheberrechtlichen Gründen können die in den Medien verwendeten Zitate nicht direkt wiedergegeben werden, daher haben wir sie sinnwahrend umgeschrieben.
Behauptung:
Gegen den Erhalt der Gersprenztalbahn sind die meisten Groß-Bieberauer Bürger und Kommunalpolitiker.
Fakt:
Bei den Groß-Bieberauer Kommunalpolitikern trifft das vermutlich zu, eine Bürgerbefragung gab es nicht. Bei unserer Veranstaltung im Januar 2019 sprach sich ein Großteil der Personen, die sich zu Wort meldeten, für den Erhalt aus. Über die Trasse und deren Stand im Regionalplan und Nahverkehrsplan entscheiden glücklicherweise die Groß-Bieberauer Politiker nicht alleine.
Behauptung:
Ohne Brücken über die Gersprenztalbahn wird die Ortsumfahrung billiger.
Fakt:
Wenn jetzt ohne Brücke über Gersprenztalbahn und Radweg geplant wird und die eingepreiste Entwidmung der Trasse nicht kommt, sind erhebliche Planungskosten entstanden ohne Nutzen. Für die benachbarte Reinheimer Ortsumfahrung wurden einige Brücken über Feldwege gebaut. Die Baukosten mit Brücke sind eingepreist, weil bei der Erstellung des Bundesverkehrswegeplans die Bahnstrecke noch im Betrieb war.
Behauptung:
Groß-Bieberau benötigt dringend ein Gewerbegebiet.
Fakt:
Realistisch betrachtet kann eine Schienenverbindung vom Bahnhof Reinheim ins obere Gersprenztal nur so verlaufen wie die heutige Trasse. Ein Gewerbegebiet kann auch an anderer Stelle entstehen. Groß-Bieberau kann sich an einem interkommunalen Gebiet beteiligen.
Behauptung:
Groß-Bieberau braucht 150 Meter Radweg auf der Bahntrasse.
Fakt:
Vom südlichen Ortseingang zum nördlichen Ortsende gibt es bereits einen durchgehenden Radweg fernab der Ortsdurchfahrt. In der Ortsdurchfahrt Groß-Bieberaus gibt es viele Parkplätze. Wenn die Stadt auf diese verzichtet, kann innerorts ein Radweg entstehen.
Behauptung:
Der Deutschen Bahn reicht das Geld für ihre Infrastruktur bereits 2024 nicht, daher ist auch für die Gersprenztalbahn keines vorhanden.
Fakt:
Die Gersprenztalbahn war nie eine bundeseigene Eisenbahn, die Infrastrukturfinanzierung ist also unabhängig von der DB-Finanzlage. Wäre die Strecke in DB-Eigentum, spielten knapp 14 Mio. Euro für die Investitionskosten zur Reaktivierung keine Rolle.
Behauptung:
Das Gleisbett ist in sehr schlechtem Zustand und kann nicht wieder in Betrieb genommen werden.
Fakt:
Wesentlich ist nicht der Oberbau (Schotter und Schienen), sondern die Ingenieurbauten. Die zwei Brücken und der Friedhofstunnel im Reinheimer Stadtgebiet sind in sichtbar gutem Zustand. Für die Reaktivierung der Pfungstadtbahn musste auch dort 2011 der gesamte Oberbau ausgetauscht werden; dies wird übrigens bei der Generalsanierung der Riedbahn im zweiten Halbjahr 2024 ebenfalls durchgeführt.
Behauptung:
Durch den Reinheimer Tunnel können keine modernen Züge fahren. Erst recht keine Doppelstockzüge.
Fakt:
Sowohl im Güterverkehr als auch für den Nostalgieverkehr fuhren Züge im Regellichtraumprofil durch den Tunnel. Der RMV plant keine Doppelstockzüge für die Odenwaldbahn. Für die heutigen Itinos und Lint54 sowie die künftigen batterieelektrischen Züge muss der Tunnel nicht mit Oberleitung ausgerüstet werden.
Behauptung:
Für 3,1 Kilometer ist eine Reaktivierung nicht wirtschaftlich.
Fakt:
Die heutigen Kriterien für eine Reaktivierung berücksichtigen nicht die Erfordernisse der Klimapolitik. In Pfungstadt rechnete sich die Reaktivierung von 1,8 Kilometern. Niemand mehr dort will jemals dagegen gewesen sein. Der Nutzen-Kosten-Faktor von 0,3 bedeutet: Der volkswirtschaftliche Nutzen ist nachgewiesen, nur ist die Reaktivierung derzeit nicht voll förderfähig.
Behauptung:
Niemand steigt in Groß-Bieberau zwischen Bus und Zug um, wenn der Bus ohnehin nach Reinheim weiterfährt und dort den Zug erreicht.
Fakt:
Nur auf der Schiene kann von Groß-Bieberau aus der TU-Campus Lichtwiese, Darmstadt Nord, Frankfurt Hbf und Offenbach direkt (ohne Umstieg) erreicht werden. Bus und Zug haben unterschiedliche Aufgaben.
Behauptung:
Niemand versteht, wieso zwei Brücken für die Ortsumfahrung gebaut werden sollen, wenn dann doch kein Zug fährt.
Fakt:
Nur nördlich der Stadt ist eine Brücke erforderlich, es sei denn, Groß-Bieberau befürwortet die Reaktivierung auch nach Brensbach 😊 . Weil die neue B 38 künftig weiträumig um Groß-Bieberau herumführt, kann die Jahnstraße zur Gemeindestraße abgestuft werden. Eine Brücke am südlichen Stadteingang ist dann nicht mehr erforderlich, ein Bahnübergang wäre ebenso zulässig und auch für die Schienenanbindung des Steinbruchs ausreichend. Wie sinnvoll das ist, belegt die MHI selbst in Nieder-Ofleiden.
Behauptung:
Einige Verfahrensbeteiligte sind für gute Argumente nicht zugänglich. Eine Klage gegen die Entwidmung der Gersprenztalbahn könnte den Bau der Ortsumfahrung verzögern.
Fakt:
Die Trassensicherung im gültigen Regionalplan und Nahverkehrsplan ist geltendes Recht. Rechtssicher ist eine Straßenplanung unter Berücksichtigung der Trassensicherung.
Behauptung:
Verkehr nur zwischen Groß-Bieberau und Reinheim ist sinnlos.
Fakt:
Kein Konzept fordert nur Züge auf 3 Kilometern mit Umstieg. Die Züge sollen in Reinheim mit denen aus dem Odenwaldkreis vereinigt werden und weiterfahren, so steht es auch im RMV-Gutachten. Nur auf der Schiene kann von Groß-Bieberau aus der TU-Campus Lichtwiese, Darmstadt Nord, Frankfurt Hbf und Offenbach direkt (ohne Umstieg) erreicht werden. Ein in Groß-Bieberau beginnender Zug bietet beim Zustieg nahezu freie Platzwahl, anders als ein aus dem Odenwaldkreis kommender Zug in Reinheim.
Behauptung:
Weil in Brensbach und Reichelsheim die frühere Trasse überbaut wurde, ist eine Reaktivierung dort nicht vorstellbar.
Fakt:
Die frühere Trasse muss nicht metergenau genutzt werden. Wenn es an einigen Stellen eng werden sollte, ist auch ein Betrieb als Straßenbahn vorstellbar. Genau so wird bei der Salzbödebahn zwischen Niederwalgern und Gladenbach vorgegangen.
Behauptung:
Die Forderung nach einer Reaktivierung aus Brensbach und Reichelsheim ist gegenüber Groß-Bieberau unsolidarisch. Sinnvoll ist nur ein Betrieb von Reinheim bis Reichelsheim oder gar Fürth im Odenwald.
Fakt:
Sollte das zutreffen, muss der baulich vorhandene Streckenteil erst Recht gesichert werden, um einen vollständigen Wiederaufbau zu ermöglichen. Solidarisch handelt Groß-Bieberau, wenn es die Trasse für die südlich liegenden Kommunen sichert.
Behauptung:
Mit dem Bus, u. a. dem Expressbus X69, ist das Gersprenztal sehr gut an Darmstadt angeschlossen. Umsteigen in Reinheim mit gutem Anschluss kann den Fahrgästen zugemutet werden.
Fakt:
Der gesamte Busverkehr ist offensichtlich nicht so gut, dass immer noch mehr Straßenraum für Autos gefordert wird. Der Bus schafft es also aus dem Gersprenztal nicht alleine, und kann anders als die Schiene Frankfurt nicht umsteigefrei erreichen. Die Kunden erwarten eine Dienstleistung und keine Zumutung, damit sie den Öffentlichen Verkehr gerne nutzen.
Leitseite